Zusammenfassung:
– Männer handeln eher moralisch aus Angst vor Strafe
– Frauen handeln eher moralisch aufgrund von Schuldgefühlen
– Empathie + Verantwortungsbewusstsein = Schuldgefühle
Themenüberblick:
Grund für moralisches Handeln
Schuldgefühle internalisieren moralische Haltung
Modell der Wertehierarchie
Grund für moralisches Handeln
Eine Untersuchung von Gross, 1971 (nach Bischof-Köhler 2006) untersuchte, ob Männer und Frauen etwas zurückgeben, was sie auf der Straße gefunden haben. Frauen gaben es häufiger zurück, Männer hingegen nur, wenn sie beobachtet wurden.
Zu erklären wären diese Befunde damit, dass Männer aus Angst vor Strafe handeln. Wenn sie nicht beobachtet werden, haben sie keine Konsequenzen zu befürchten und handeln zu ihrem Vorteil. Frauen hingegen scheinen Schuldgefühle zu entwickeln. Sie stellen sich vor, wie sich die Person fühlt, die den Gegenstand verloren hat.
Schuldgefühle internalisieren moralische Haltung
Wir gehen jetzt wieder davon aus, dass überwiegend das weibliche Geschlecht die Pflege von Kindern und Mitgliedern der Gemeinde übernahm. Wenn dabei mal etwas schief ging, musste die Pflegeperson in der Lage sein, schnell aus ihren Fehlern zu lernen. Dazu sind zwei Eigenschaften in Kombination notwendig:
- durch ein hohes Maß an Empathie empfindet die Pflegeperson das Leid des Schützlinges
- durch ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein versteht die Pflegeperson das Leid des Schützlinges als Konsequenz des eigenen Handelns (man spricht auch von einer internalen Attribution von Misserfolg)
Dieser Prozess führt nun aber auch zu unangenehmen Schuldgefühlen. Desto höher das Mitempfinden und das Bewusstsein der eigenen Verursachung (Verantwortungsgefühl) ist, desto höher sind die resultierenden Schuldgefühle1. Das Empfinden von Schuld führt wiederum zu einer stärkeren Internalisierung einer moralischen Haltung.
Modell der Wertehierarchie
Die Moral dient als Vorgabe, wie man sich zu verhalten hat. Gefühle müssen sich beugen. Gesetze sind beispielsweise Vorlagen für moralische Vorstellungen.
Nach Kohlberg (1976 nach Bischof-Köhler 2006, S. 331) lernt jeder Mensch eine Wertehierarchie gemäß folgender Stufen:
- Orientierung an Strafe und Gehorsam
- Instrumentell-relativistische Orientierung (Wie Du mir, so ich Dir)
- Orientierung an zwischenmenschlicher Übereinstimmung
- Orientierung an geltenden Gesetzen
- Legalistische Orientierung (größter Nutzen für alle)
- Orientierung an universellen ethischen Prinzipien
Während sich alle von einer Stufe zur Nächsten bewegen, krabbeln nur die wenigsten die Pyramide bis ganz nach oben. Das bleibt wohl Philosophen vorbehalten. Die meisten Menschen erreichen die vierte Stufe.
Carol Gilligan kritisiert an dem Modell, dass Tests zur Herleitung ausschließlich an männlichen Versuchspersonen durchgeführt wurden. Das Treppenmodell als Einbahnstraße geht zudem nicht ganz auf bei Stufen 3 und 4. Zunächst glaubte man, einen Geschlechtseffekt gefunden zu haben, nachdem in einem Test mehr Frauen die dritte (zwischenmenschliche Übereinstimmung) und mehr Männer die vierte Stufe (gesetzliche Vorlagen) als Grundlage heranzogen. Das könnte man damit erklären, dass Frauen eher ganzheitlich denken und mehr Details in ihrer Urteilsfindung berücksichtigen (´Man muss aber auch seine Intention berücksichtigen. Er möchte nur seiner Frau helfen´), während es Männern leichter fällt, nach Schemata abzuarbeiten (´Er begeht Diebstahl und Diebstahl wird bestraft´). Nachdem man die Geschlechter jedoch nach Bildungsniveau gruppierte, gab es keinen Geschlechtsunterschied mehr.
Wenn man zudem Themen wie Abtreibung und Wehrdienstverweigerung vergleicht, stellt sich heraus, dass sich Personen mit wenig Wissen zum Thema eher an der dritten Stufe orientieren, Personen mit mehr Wissen zum Thema an der vierten Stufe. Bildungsstand und Vorbildung zum Thema sind also relevante Faktoren, jedoch nicht Geschlecht
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Quelle: Bischof-Köhler 2006, S. 328